Waffengänge zu Ehren Zipik’yarrs

Frider sagte mir auch, ich hätte noch eine ganze Weile einfach dagestanden und völlig perplex den Kopf geschüttelt. – Was auch sonst?! Das könnte ich immer noch tun, wenn ich daran denke!

Dann war es mir aber wieder, als stünde Zipik’yarr bei mir, abwartend, fast schon ein bißchen ungehalten.
„Ist das alles, was ich heute bekomme, Steinklaue?“, schien sie zu fragen und zugleich: „Du hast hier gute Kämpfer versammelt, willst du diese Gelegenheit vorübergehen lassen?“

Wollte ich natürlich nicht!

Ich griff mir Steinklaue, hob die Klinge und verkündete: „Zipik’yarr hat dieses Haus zu ihrer Kapelle der Treue und Ritterlichkeit erkoren!“ (Das Wort „Tempel“ kam mir in diesem Moment gar nicht in den Sinn!) „Hinaus jetzt! Bieten wir ihr ritterlichen Kampf! Hayee!“

„Hayee!“, fielen alle ein, „Hayee! Hayee!“, hoben Waffen oder Fäuste und brüllten sich die Anspannung aus dem Leib.

„Frau Erla!“, forderte ich die Stifterin des Heiligtums auf. „Bieten wir Zipik’yarr den ersten Kampf?“

Natürlich akzeptierte sie, rein formal, und natürlich forderte ich damit eigentlich ihren Ritter Lando Ajatuma.

Er kämpfte großartig! Am liebsten hätte ich gar nicht mehr aufgehört! Wir trieben einander einmal um die neue Kapelle herum, dann hatte jeder von uns seinen Schmiß, und wir mußten verschnaufen.

Als nächsten forderte ich, aus Neugier und weil es sich so gehört, Karnstein. Ich glaube, er brannte schon auf diesen Kampf, dachte vielleicht auch, mich nach meinem Schwertgang mit Lando besiegen zu können. – Was für mich keineswegs ehrenrührig gewesen wäre! (Rein formal gesehen.)

Ich tat ihm den Gefallen allerdings nicht, zumal er sich zurückhielt. Nicht, um mich zu schonen, denke ich, sondern um mir nicht zu zeigen, wie er normalerweise kämpft.

Zwei, drei Mal lockte ich ihn trotzdem aus der Reserve. (Andernfalls wäre er gestürzt oder hätte sein Schwert verloren, was peinlich für ihn gewesen wäre.) Das ärgerte ihn, ich sah es ihm an. Aber er ließ seinen Ärger nicht den Kampf bestimmen.

Zum Abschluß gönnte ich ihm noch einen Treffer gegen mich, nur halb geblockt, um ihm das Gefühl zu geben, der Stärkere zu sein. – Verdammt! Er durchschaute das!

Ein gefährlicher Gegner, der nach diesen zwei Tagen in Rittertreu nun weiß, daß auch ich ihm gefährlich werden kann, wenn ich es für nötig halten sollte. Mit dem Unterschied, daß ich allerlei Skrupel habe und an die Gebote Zipik’yarrs gebunden bin, er nicht.

Zu meiner Überraschung bat mich anschließend Litterata Ardana Bonmarzo um einen Kampf, genauer: um ein Schwertgebet. Dabei wird noch strenger als bei den Ehrenkämpfen nach Figuren gestritten, oder eigentlich: getanzt. „Des Reihers Stoß pariert die Schlange – der Wolf beißt zu, der Stier pariert …“ Undsoweiter. Litterata Bonmarzo wählte die schwierigere Form, nicht nach fester Reihenfolge, sondern nach Ansage, und überließ Letztere auch noch mir.

Ein Vergnügen! Auch wenn ich sehr aufpassen mußte, ihr die schmale Klinge (ganz wie sie selbst: mehr Florett als Degen oder gar Schwert) nicht aus der Hand zu schlagen. In einem ernsten Kampf hätte sie nur wenig Aussicht, sich zu halten, gegen mich gar keine. Aber ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sie und ich je auf verschiedenen Seiten stehen könnten.

Danach kämpfte ich noch mit einem Ritter und einer Ritterin aus der Umgebung, die zum Fest gekommen waren, nochmal mit Lando, dann mit einem Rittertreuer, der eine Saufeder führte (er war überraschend gut!), und mit einem der beiden Leibgardisten Karnsteins.

Auch Letzterer überraschte mich mit seiner Forderung, nein, vielmehr seiner Bitte um einen Kampf. Ich hatte mich schon gefragt, ob diese beiden Schatten des Heermeisters – immer anwesend, immer im Hintergrund, gesichtslos, namenlos – womöglich Vuvu’melogs seien.

Das kann ich jetzt verneinen, jedenfalls im eigentlichen Sinne dieses Begriffs. Es sind keine Zaubermaschinen, sondern Wesen aus Fleisch und Blut und zumindest mit Resten eines eigenen Willens.

Sie gleichen stark den Roten Milambanen der Ischatrapen des Alselands – Nuluna sei ihnen gnädig. Ausgebildet in zig verschiedenen Kampfweisen, mit eigenem Ehrenkodex (der wenig mit dem zu tun hat, was ich „Ehre“ nennen würde) und absolut loyal zu ihrer Herrin bzw. zu ihrem Herrn.

Karnsteins Trabant hielt sich tatsächlich an die Regeln des Ehrenkampfes, aber wie ein Tanzschüler, der noch die Schritte zählen muß. Ich kam mir bald eher vor wie bei einer Übung mit einem Novizen, als wie bei einem Weihekampf für Zipik’yarr. Manchmal war es fast peinlich, wie der Mann sich anstrengte, der Mantis (oder wenigstens mir, ihrem Streiter) zu gefallen.

„Buße oder Gelübde?“, fragte ich ihn, als wir voneinander abließen, um Atem zu schöpfen. Eins von beiden mußte es sein, so, wie er kämpfte!

„Beides“, antwortete er.

„Sagst du mehr dazu?“

„Nein.“

Dann ging es weiter, bis ich ihn zeichnete und er für den Kampf dankte.

Anschließend traten wir Kämpfer alle noch einmal vor Zipik’yarrs Altar und überbrachten der Herrin auf blanken Klingen unser Blut.

Da war es, als nicke die Mantis uns huldvoll zu und grüße uns als erste Streiter ihres neuen Heiligtums.

 

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